Das junge Ehepaar Barraud arbeitet auch bei anderen Weingütern, Richard ist der Weinbergsmanager von Château Haut-Batailley in Pauillac. Die beiden Enthusiasten haben ihre 3,5 ha Rebberge im Médoc, nördlich von Pauillac, erst 2006 in Betrieb genommen. Chateau Carmenère, im obersten Bereich des Médoc gelegen, ist inzwischen drei Jahre im Besitz einer optischen Nachsortiermaschine, die im oberen Qualitätsbereich schon länger bekannt ist. Diese gebrauchte Maschine war auf Château Ducru-Beaucaillou im Einsatz. Sie führt, zusätzlich zur Auslese von Hand, zu weiteren 10% Ausschuss nicht vollreifer Beeren. Die Perfektion schreitet also weiter voran. Das kleine Château Carmenère von Richard Barraud ist zusammen mit Clos Manou der absolute Superstar des gesamten Médoc und Haut-Médoc – auch wenn ihre Stilistik jeweils anders ist. Carmenère wird seit vielen Jahren vom Superstar der Médoc-Berater Eric Boissenot beraten, der auch alle Premier Crus betreut. Bei der Verkostung haben wir dann auch mit Marco Balsimelli, einem leitenden Mitarbeiter vom Büro Boissenot, zusammen probiert.
Max Gerstl: Dieser Wein begeistert mich total, wir sind uns überragende Qualitäten von diesem Weingut gewohnt, aber dass er gegenüber dem sagenhaften 2016er nochmals einen draufsetzt, konnte man nicht erwarten, der 2018er ist einfach nochmals feiner und raffinierter. Was die Familie Barraud hier leistet, ist grosse Klasse. Nach 2016 gelingt ihnen erneut der beste Wein des nördlichen Médoc. Herrlich, dieser verführerisch tiefgründige Duft, ein nobles Parfüm mit sinnlicher Ausstrahlung, dezente Frucht, feinste Tabak- und Trüffelnoten, raffiniert floral. Nur schon wie dieser Wein die Nase verwöhnt, ist ein die Sinne berauschendes Erlebnis. Er hat etwas unerklärbar Geniales an sich, das Spiel aus dezent süssem Extrakt und raffiniert frischer Frucht ist ein wichtiges Element, dann die sinnlich verführerische Aromatik, die unfassbare aromatische Vielfalt, die ganz leicht körnigen, aber sehr angenehmen Tannine verleihen dem Trinkerlebnis zusätzliche Spannung. Der Wein schmeckt ganz einfach sagenhaft gut, enorm attraktiv und er hat etwas einzigartig Raffiniertes an sich. Das vielleicht Wichtigste: Er bewahrt bei aller Grösse auch seinen eher schlichten Auftritt, das ist einfach ein unvergleichlicher Traumwein. Wir probieren am Schluss noch den Wein aus der Traubensorte Carmenère separat, davon sind mittlerweile schon 14% in der Assemblage. Das zeigt, dass diese Traubensorte immer mehr zu einem prägenden Element in diesem Wein wird, sie hat einen wesentlichen Anteil an seiner überaus edlen Ausstrahlung.
Pirmin Bilger: Die Tannine sind derart fein und cremig, dass man sie nur ganz zart wahrnimmt. Würzig und zart salzig-mineralisch offenbart sich das lange Finale. Eine echte Sensation – einmal mehr!
Lobenberg: Wir sind auf demselben grandiosen Level wie beim berauschenden Clos Manou. Hier ist die Spitze im Médoc, das darf sich mit ganz vielen der klassifizierten Gewächse messen. 97-98/100
Richard Barraud, der Besitzer dieses 2006 neu gegründeten Weingutes, ist auch «Chef de Culture» auf Château Batailley. Bevor er zusammen mit seiner Frau den Schritt zur Gründung eines eigenen Weingutes wagte, hat er jahrelang nach einem ausserordentlichen Terroir Ausschau gehalten. Die Rebstöcke von Carmenere stehen auf deutlich älteren und dadurch feineren Kiesböden als die meisten im Médoc. Sie sind zudem auch stärker mir Kalk durchwachsen, was besonders der Merlot sehr liebt. Nebst 60% Merlot und 35% Cabernet Sauvignon werden auch je 2,5% Petit Verdot und Carmenere angebaut, um dem Wein noch mehr Komplexität zu verleihen. Alle Traubensorten werden separat vinifiziert und ausgebaut, die beiden letzten wegen der geringen Menge direkt im Barrique. Selbstverständlich wird von Hand gelesen und sortiert. Die Trauben werden entrappt, aber nicht angequetscht, sodass eine Ganztraubengärung entsteht. Cabernet und Merlot werden in kleinen Betontanks vergoren, mit «Pigeage» ohne Umpumpen und nur Ablaufwein, kein Presswein wird verwendet. Alles, was nicht 100% top ist, kommt in den Zweitwein. Kurz zusammengefasst: Hier wird mindestens so präzise gearbeitet wie bei den Grand Crus, und es entsteht auch ein Wein, der den «Grossen» von Bordeaux in nichts nachsteht.